Rechtsextremistische Musik
Die Musik sowie die Szenekonzerte sind unverändert wichtige Instrumente für die Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie und damit eine zentrale, identitätsstiftende Basis für die Szene. Gemeinsame Konzertbesuche stärken das Gemeinschaftsgefühl und tragen dazu bei, dass Kontakte zwischen den verschiedenen regionalen Szenen geknüpft und aufrechterhalten werden. Szenemitglieder haben bei Konzerten darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Ideologie in der „geschlossenen Konzertgemeinschaft“ auszuleben. So sind dort mitunter gemeinschaftlich begangene strafbare Handlungen, wie der Hitlergruß oder „Sieg Heil“-Rufe, festzustellen. Die Szene selbst spricht hier von „abhitlern“. Rechtsextremisten vermitteln ihre verfassungsfeindliche Ideologie über die Texte ihrer Musikdarbietungen, wobei dazu passende Melodien und Rhythmen einen wesentlich verstärkenden Faktor im emotionalen Empfinden des Empfängers auslösen. Insofern ist die Musik vor allem für Jugendliche ein Einfallstor in die rechtsextremistische Szene. Darüber hinaus spielen kommerzielle Gesichtspunkte bei der Veranstaltung von Konzerten und vor allem bei den Szenevertrieben eine herausragende Rolle. Beides sind unverzichtbare finanzielle Einnahmequellen, die ganz wesentlich zur Existenz der rechtsextremistischen Szene beitragen.
Die Subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene bevorzugt Musikstilrichtungen wie „R.A.C.“ und „Hardcore“ bzw. „Hatecore“. Dieser „Rechtsrock“ ist geprägt von aggressiven Texten und zumeist hämmernden Rhythmen. In den Liedern werden Rassismus und Gewalt propagiert, das NS-Regime verherrlicht und der Kampf gegen das verhasste demokratische System thematisiert. In den Texten wird zum Teil auch einem Germanen- und Wikingerkult gehuldigt. Politische Inhalte werden zudem auch im Balladenstil vorgetragen. Eine in der Szene beliebte Musikstilrichtung ist der sog. „NSBM“. Diese von der Black-Metal-Musik abgeleitete Stilrichtung bezieht sich in ihrer Ausrichtung auf den historischen Nationalsozialismus.
Mit der Gründung der Firma NDS Records Unternehmensgesellschaft etablierte sich im Freistaat Sachsen im Jahr 2021 zudem ein Musiklabel, dessen Musiker vor allem die Stilrichtungen „Rap“ und „Hip Hop“ vertreten. Interpreten dieses Labels verstehen sich als echte deutsche Rapper und waren bzw. sind dem Umfeld der Identitären Bewegung zuzurechnen. Die von NDS Records produzierte Musik enthält teilweise gewaltaffine, rassistische Elemente und richtet sich mitunter gegen den politischen Gegner sowie das Gesellschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland. Die Vernetzung der NDS Records-Akteure innerhalb der rechtsextremistischen Szene zeigt sich sowohl in der Zusammenarbeit mit deren Strukturen, Bands und Interpreten als auch durch Auftritte bei Veranstaltungen.
Die rechtsextremistische Musikszene im Freistaat Sachsen war im Berichtsjahr bestrebt, die Anzahl der Veranstaltungen auf das Niveau der Zeit vor der Corona-Pandemie anzuheben. Allerdings konnten dank erfolgreicher behördlicher Maßnahmen Konzerte verhindert werden, sodass die Szene ihr Ziel nicht erreichte. Nachdem Veranstaltungen im Szeneobjekt in Torgau OT Staupitz wegen eines Gewerbeverbots vorübergehend nicht mehr stattfinden konnten und auch an anderen Orten Konzerte aufgelöst bzw. verhindert worden sind, versuchte die Szene, in umliegende Bundesländer bzw. in das Ausland auszuweichen. Letztendlich konnten im Berichtsjahr insgesamt zehn Konzerte im Freistaat Sachsen festgestellt werden (2022: 12), wovon zwei von der Polizei aufgelöst wurden. Drei weitere Konzerte waren geplant und verboten worden. Die Anzahl der Liederabende und sonstigen Musikveranstaltungen erhöhte sich im Berichtsjahr von 24 (2022) auf 39. Ein Liederabend sowie eine sonstige Musikveranstaltung wurden verboten.
Durchgeführte rechtsextremistische Konzerte in Sachsen
Die nachfolgenden Tabellen informieren über rechtsextremistische Konzertveranstaltungen, Liederabende und sonstige Musikveranstaltungen, welche für das Berichtsjahr öffentlich genannt werden können:
Konzertveranstaltungen
Datum | Ort | Konzertbesucher (ca.) | Bemerkung | |
---|---|---|---|---|
1 | 4. Februar | Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) | 230 | |
2 | 18. Februar | Zittau (Lkr. Görlitz) | nicht bekannt | |
3 | 4. März | Niesky (Lkr. Bautzen) | 250 | aufgelöst |
4 | 1. April | Vierkirchen OT Arnsdorf (Lkr. Görlitz) | 500 | aufgelöst |
5 | 29. April | Bautzen (Lkr. Bautzen) | 50 | |
6 | 16. September | Mücka (Lkr. Görlitz) | 60 |
Liederabende und sonstige Musikveranstaltungen
Datum | Ort | Verantstaltung | |
---|---|---|---|
1 | 11. März | Landkreis Nordsachsen | Auftritt eines Liedermachers |
2 | 11. März | Landkreis Mittelsachsen | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei (Sachsen) |
3 | 19. März | Zwickau (Landkreis Zwickau) | Auftritt eines Liedermachers |
4 | 25. März | Landkreis Mittelsachsen | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei |
5 | 25. März | Ostsachsen | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei |
6 | 26. Mai | Landkreis Nordsachsen | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei |
7 | 2. Juni | Raum Chemnitz | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei |
8 | 3. Juni | Plauen (Vogtlandkreis) | Auftritt der Liedermacher Brüder zur Freiheit (Sachsen) und „Wegbereiter“ (BadenWürttemberg) bei einer Veranstaltung der Partei Der Dritte Weg |
9 | 3. Juni | Aue-Bad Schlema (Erzgebirgskreis) | Auftritt des Liedermachers Frank RENNICKE (Bayern) |
10 | 10. Juni | Raum Chemnitz |
Auftritt des Liedermachers FreilichFrei |
11 | 1. Juli | Riesa (Landkreis Meißen) | Auftritt der Liedermacher Kavalier (Sachsen) und Benjamin Gruhn (Sachsen) bei einer Veranstaltung der Partei Die Heimat |
12 | 21. Juli | Raum Ostsachsen | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei |
13 | 22. Juli | Erzgebirgskreis | Auftritt des Liedermachers „Heureka“ (Baden-Württemberg)5 |
14 | 29. Juli | Erzgebirgskreis | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei |
15 | 9. September | bei Pirna (Landkreis Sächsische SchweizOsterzgebirge | Auftritt des Liedermachers Frank RENNICKE |
16 | September | Chemnitz | Aufritt eines Liedermachers |
17 | 30. September | Sachsen | Auftritt u. a. der Liedermacher FreilichFrei, Rac’n’roll-Teufel (Sachsen) und Benjamin Gruhn (Sachsen) |
18 | 30. September | Riesa (Landkreis Meißen) | Auftritt des Liedermachers Kavalier und der Band „Unbeliebte Jungs“ (Thüringen) bei einer Veranstaltung der Partei Die Heimat |
19 | 3. Oktober | Hermsdorf (Landkreis Sächsische SchweizOsterzgebirge) | Auftritt des Liedermachers Kavalier bei einer Kundgebung der Partei Freie Sachsen |
20 | 7. Oktober | Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) | Auftritt der Band „Katastrof“ (Italien) bei einem „Oktoberfest“ von Rechtsextremisten |
21 | Oktober | Chemnitz | Auftritt eines Liedermachers |
22 | 28. Oktober | Mittelsachsen | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei |
23 | 30. Oktober | Plauen (Vogtlandkreis) | Auftritt des Sängers „Lunikoff“ (Berlin) bei einer Veranstaltung der Partei Der Dritte Weg |
24 | 11. November | Aue-Bad Schlema (Erzgebirgskreis) | Auftritt des Liedermachers FreilichFrei bei einer Veranstaltung der Partei Freie Sachsen |
Ein geplanter Liederabend am 11. Februar in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterz-gebirge) wurde verboten. Einen weiteren Liederabend löste die Polizei am 4. November in Pegau (Landkreis Leipzig) noch vor dessen Beginn auf.
Im wohl bisher wichtigsten Konzertobjekt der sächsischen rechtsextremistischen Szene, dem ehemaligen Gasthof in Torgau OT Staupitz (Landkreis Nordsachsen), konnten Rechtsextremisten im Berichtsjahr nur noch eine Veranstaltung durchführen. Im Februar wurde dem Inhaber das Gewerbe der Durchführung von Konzertveranstaltungen verboten.
Nach diesem Verbot versuchten Rechtsextremisten, im April noch zwei Veranstaltungen in diesem Objekt zu organisieren. Als erkennbar war, dass die am 1. April geplante Veranstaltung in Staupitz nicht stattfinden konnte, organisierten die Rechtsextremisten kurzerhand in Vierkirchen OT Arnsdorf (Landkreis Görlitz) eine Ersatzveranstaltung. Die Polizei stellte bei der Auflösung dieser Ersatzveranstaltung rund 500 Personen fest.
Bei der am 22. April in Staupitz geplanten Veranstaltung versuchten die Organisatoren, eine Rechtsextremistin als Veranstalterin einzusetzen, die bisher noch nicht als solche in Erscheinung getreten war. Auch dieses Konzert untersagte die Ordnungsbehörde, weil diese Ersatzperson nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nachweisen konnte.
Seitdem wich die rechtsextremistische Szene verstärkt auf kleinere, konspirativ organisierte Konzertveranstaltungen in Sachsen sowie den umliegenden Bundesländern aus.
Der ehemalige Betreiber des Konzertobjektes legte gegen die Gewerbeuntersagung Rechtsmittel ein. Ein Eilantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid wurde im März 2023 vom Verwaltungsgericht Leipzig überwiegend abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legte der Betreiber Beschwerde beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht ein. Dieses Gericht stellte in einer Entscheidung vom 4. Dezember 2023 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her.
Zwischenzeitlich fand zudem ein Eigentümer- und Betreiberwechsel im Gasthof statt. Rechtsextremistische Konzerte wurden in Staupitz nicht mehr festgestellt.
Im Unterschied zu Konzertveranstaltungen mit Bandauftritten stieg im Freistaat Sachsen die Anzahl von Veranstaltungen, bei denen Solointerpreten auftraten oder musikalische Darbietungen nur eine Nebenrolle einnahmen, an. Diese Entwicklung war auch in einigen anderen Bundesländern feststellbar. Hier war vor allem der Liedermacher FreilichFrei sehr aktiv. Während dieser vorwiegend bei parteiungebundenen Veranstaltungen der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene auftrat, spielten die sächsischen Liedermacher Kavalier und Benjamin Gruhn auch bei Veranstaltungen der Partei Die Heimat.
Auf einer Veranstaltung der Partei Der Dritte Weg in Plauen spielte am 3. Juni der Liedermacher „Wegbereiter“ aus Baden-Württemberg. Zudem trat ein aus Sachsen stammender Funktionär dieser Partei unter der Bezeichnung Brüder zur Freiheit als Solointerpret auf.
Am 4. November sollte in Pegau eine rechtsextremistische Musikveranstaltung stattfinden. Die Polizei konnte den konkreten Veranstaltungsort lokalisieren und stellte dort 113 Personen fest, darunter den Frontsänger der Band „Spreegeschwader“ aus Bayern. Das Konzert hatte noch nicht begonnen, jedoch war die Technik bereits aufgebaut. Während die Einsatzkräfte die Veranstaltung auflösten, konnten sie feststellen, dass 38 Personen einen Reichsadler mit Hakenkreuz auf ihren Armen bzw. Händen trugen, was offenbar als Eintrittsstempel dienen sollte.
Im Freistaat Sachsen waren im Berichtsjahr und damit analog zum Vorjahr 26 rechtsextremistische Musikgruppen, Liedermacher und Solointerpreten aktiv.
Die Musiker beteiligten sich an rechtsextremistischen Konzerten im In- und Ausland bzw. Liederabenden, traten bei Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen auf oder arbeiteten an neuen Tonträgern bzw. gaben diese heraus. Sie beteiligten sich mit Liedbeiträgen an vier Samplern und gaben sechs Tonträger heraus. Einige Musikgruppen gaben lediglich über ihre Internetpräsenzen „Lebenszeichen“ von sich.
Nachfolgend werden die im Freistaat Sachsen im Jahr 2023 auffälligsten Entwicklungen im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Musikern und Musikgruppen beschrieben:
Auslandsauftritte sächsischer Musikgruppen bzw. Interpreten
Nachdem deutsche Musikgruppen in der Vergangenheit aufgrund von Ausreisebeschränkungen nicht im Ausland auftreten konnten, änderte die rechtsextremistische Szene ihre Informationspolitik. Im Internet wurden fortan nur noch Konzertflyer veröffentlicht, auf denen u. a. Musikgruppen anonym als „special guest“ aus Europa angekündigt wurden.
Die Band Blutzeugen ist eine jener sächsischen Musikgruppen, die oft für Auftritte im Ausland engagiert werden, so beispielsweise am 14. Januar in Vilnius (Litauen) und am 22. April in Valladolid (Spanien). Diese Auftritte wurden dem neuen Modus Operandi entsprechend im Vorfeld nicht öffentlich bekannt, sondern nur konspirativ beworben.
Die Bands Heiliger Krieg und Front 776 traten am 14. Oktober bei einer Konzertveranstaltung unter dem Motto „Reconquering Europe“ in Sofia (Bulgarien) auf, die von der rechtsextremistischen Gruppierung „Blood & Honour Hungaria“ organisiert wurde.
Die Band Odessa outete sich nach einem Konzert als der angekündigte „special guest“ eines „Sommerfestes“ von Rechtsextremisten, das am 17. Juni in Budapest (Ungarn) stattfand.
Auch die NSBM-Band Stahlfront wollte im Ausland auftreten, und zwar am 25. Februar in Frankreich. Die Behörden verboten jedoch dieses Konzert.
Nicht nur sächsische Bands, sondern auch Liedermacher zog es im Berichtsjahr ins Ausland. So berichtete der Liedermacher FreilichFrei in seinem „Jahresrückblick“ u. a. von einer Veranstaltung am 29. Juli in der Schweiz. Der Liedermacher Kavalier trat am 5. September bei einer Veranstaltung der ‚neofaschistischen‘ Bewegung „CasaPound Italia“ in Grosseto (Italien) auf.
Band Sturmkrieger wieder aktiv
Nach einer langen inaktiven Zeit gab die sächsische Band Sturmkrieger beim rechtsextremistischen Musiklabel „Rebel Records“ (Brandenburg) ein Album heraus, welches bei „Froinden des klassischen Rechtsrock runtergehen [würde] wie Öl“ . In einer Rezension auf der Telegram-Seite des OnlineSzenefanzines „Viva Saxonia Skinzine“ wird erwähnt, dass die Band aus sechs Mitgliedern bestehe, darunter zwei aus Chemnitz stammende Personen aus der ursprünglichen Besetzung.
Die Band Sturmkrieger war bereits von etwa 2007 bis 2013 aktiv. Sie gab damals eine „Demo CD“ heraus und trat bei verschiedenen rechtsextremistischen Konzerten auf. Die „Demo CD“ wurde am 12. November 2010 indiziert, weil die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien damals feststellte: „Die Lieder enthalten vielfältige direkte und indirekte lobpreisende Bezugnahmen auf die Rassen- und Kriegsführungsideologie des Nationalsozialismus sowie auf Adolf Hitler persönlich. Die germanische Rasse, arisches Blut sowie der kriegerische Kampf dafür werden den Gegnern, sprich den Linken, Juden, Ausländern und dem ganzen bestehenden Staatssystem, feindselig entgegengestellt. Es wird zum gewalttätigen Widerstand und zur Aktion gegen diese aufgefordert.“
Die Produktion des aktuellen Tonträgers bei einem rechtsextremistischen Musiklabel unter Beteiligung der rechtsextremistischen Band Heilige Jugend und die Liedertexte belegen die Verfassungsfeindlichkeit dieser Band. So wird im Lied „Bannerschaft“ eine Fahne (Banner) beschrieben, zu der die Kameraden stehen sollten: „Die Flagge war rot, und die Flagge war weiß und das Zeichen schwarz in der Mitte“. Diese Beschreibung lässt den Schluss zu, dass hier die Hakenkreuzfahne glorifiziert wird. Dies sah im Jahr 2010 auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien so. Sie betrachtete dieses Lied von Sturmkrieger, das bereits auf dem „Sachsensampler Vol. 2“ aus dem Jahr 2011 enthalten war, als indizierungsrelevant.
Band Symphonie des Blutes gibt erstmals Tonträger heraus
Im Berichtsjahr gab eine Band mit der Bezeichnung Symphonie des Blutes und Bezug nach Sachsen erstmals ein Album heraus. Der Tonträger mit der Bezeichnung „Das letzte Gefecht“ erschien beim rechtsextremistischen Musiklabel „Rebel Records“ (Brandenburg).
In der CD-Beschreibung wurde angeführt, dass auf dem Tonträger auch Lieder des rechtsextremistischen Musikers „Uwocaust“ (Brandenburg) und der Band Pionier (Sachsen) enthalten seien. Inhaltlich beschwören die Lieder die gewalttätige Überwindung des Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland. So übt „Uwocaust“ im Lied „Sie“ Fundamentalkritik am angeblichen „Zeitgeist“, der „neuen Ordnung“ sowie am „kranken System“. Die „Vernichtung von Traditionen“, das „Gleichmachen“ und „Gendern“ werden ebenso beklagt wie die „Verleugnung der Vergangenheit und Schändung der Stammbäume“. Letztendlich ruft „Uwocaust“ zum Kampf auf:
„Die neue Ordnung zeigt ihre Macht, gestört und grenzenlos. Männlich, weiblich und divers, des Teufels letzter Pakt […] Wirre Gestalten, egal wohin ich seh. Das ist das Resultat ihres kranken Systems! […] Sie gendern und fleddern, sie lügen und schüren. Ihre Ziele sind durchdacht und widerlich. Folgt mir in die Schlacht, lauschet meinen Klängen. […] Ich spiele Euch des Blutes Symphonie, des Blutes Symphonie.“
An diese letzte Zeile anknüpfend wird im nachfolgenden Lied „Symphonie des Blutes“ in gewaltverherrlichenden Worten der Kampf beschrieben:
Wir schlagen uns durch die Reihen, auf blutgetränktem Boden. Schwerter gleiten durch das Fleisch, bis zum Siege oder Tode. Die Knochen brechen im Leibe, es ist des Blutes Symphonie. […] Schauet sie stehen im Lande, Feinde in Scharen, einer teuflischen Bande. Die Männer sind zum Aufbruch bereit, sie singen ein Lied von Sieg und Leid.“
Im Lied „Wenn wir schweigen“ wiederholt sich das Motiv eines angeblich notwendigen Widerstandkampfs gegen ein angeblich unterdrückendes und unfrei machendes „System“. Man selber sei „frei im Bunde“ (mit Gleichgesinnten) und müsse bereit zur „Schlacht“ gegen das System sein. Zudem wird der (deutschen) Bevölkerung vorgeworfen, sich nicht mehr an ihre Vergangenheit zu erinnern, sondern nur noch „den Dreck von den Heuchlern dieser Zeit zu konsumieren“.
„Und heute seid ihr blind, leugnet die Opfer der Vergangenheit. Konsumiert jeden Dreck von den Heuchlern dieser Zeit. Ihr spendet euer Geld, ihr spendet euch selber ein. Ihr hasst die eigene Art, stets bemüht Sklave zu sein. […] Die Freiheit ist nicht umsonst, jede Generation muss sie erstreiten. [..] Wir sitzen in fester Runde, das letzte Feuer brennt. Der Kampf der Freiheit naht, ich spüre es in jedem Moment.“
Im Titel „Fight the system“ sind eindeutige rechtsextremistische Narrative über den notwendigen Kampf gegen das demokratische System, für das „Vaterland“ und das „eigene Blut“ enthalten. Der englische Text ruft dazu auf, sich mit Gewalt gegen das System aufzulehnen und „Gesicht zu zeigen“ gegen Lüge und Korruption. Dafür müsse der Kampf für „unser Land, den Sieg und für unsere Blutsbande“ geführt werden.
Fortschreitende Radikalisierung von NDS Records
Beim Rapper-Musiklabel NDS Records konnte im Berichtsjahr eine zunehmende Radikalisierung festgestellt werden, die insbesondere auf dessen Zusammenarbeit mit dem Rapper Makss Damage aus Thüringen zurückzuführen ist. Dieser vertritt die Position, dass sich ein Label zum Nationalismus bekennen und sich nicht lediglich als patriotisch beschreiben sollte. Der Song „Arminius“ von Prototyp sei für Makss Damage schließlich der Anlass gewesen, sich dem Label NDS Records anzuschließen. Im Song beschreibt Prototyp tatsächlich „Nationalismus“ als „natürliches Rückgrat“ und fordert, dass „damals wie heute Europa erwache“. Mit „damals“ bezieht er sich offenkundig auf die Zeit des Nationalsozialismus, denn im Lied heißt es weiter „für Heimat und Volk griff der Opa zur Waffe“. Im Lied wird der Zuzug von Migranten nach Deutschland als Angriff gewertet und in kriegerischer, appellierender Rhetorik gefordert: „Kämpf für die Heimat!“, denn „Wir sind längst im Krieg“. Beide Rapper produzierten im Berichtsjahr gemeinsam das Musikvideo „mwk“, wobei die Abkürzung für „männlich, weiß, kampfbereit“ steht. Im Video wirken Strukturen der rechtsextremistischen Partei Der Dritte Weg und des Kampfsport-Formats „Kampf der Nibelungen“ (KdN) mit. Dargestellt wird in martialischer Art und Weise die Verfolgung von Rappern bzw. politischen Gegnern. Sich selbst definieren die Interpreten dabei als „Deutschrap“, der „weiß, männlich, kampfbereit“ sei und keine Gnade kenne gegen „schwule Drogenrapper“. Makss Damage sei ein „Synonym für Entsetzen“, seine „Fans sind rechts […] keiner schockt so hart auf Deutsch, wie der preußisch […] Rapper auf der Brust mit dem schwarzen Kreuz“. Im Lied ist deutlich eine rassistische Komponente zu erkennen, da sich die Rapper selbst immer wieder als „weiße, männliche, starke bzw. harte Deutschrapper“ bezeichnen, während der Gegner als schwacher „Drogenrapper“, „Kloaken Rapper“ und „crackrappender Penner“ diffamiert wird. Das Video endet mit einer Szene, in welcher der im Video verfolgte gegnerische Rapper vor die Füße der Interpreten geschleift wird und vor ihnen knien muss. Im Video „Hard Knock Life“ bringen Prototyp, Makss Damage und die seit 2022 beim Label mitwirkende Alva (Sachsen) ihren Rassismus noch deutlicher zum Ausdruck und bezeichnen die freiheitliche demokratische Grundordnung als „Nuttokratie“ eines „bunten Regimes“:
„Um hier zu überleben, wirst du abgefuckt, das ist Kanack-Attacke, entweder du wirst Kanack wie sie oder machst ’nen Spießrutenlauf mit, aber wir stabil […] Ich bin ein Bleichgesicht, schwarze Regeln intressier’n einen Weißen nicht. […] Ich fick das bunte Regime. Ich spiel‘ nicht mit und schon versuchen sie mich runterzuzieh’n. Sie spucken auf mich und ich spucke auf sie. Kein Respekt vor den Gesetzen der Nuttokratie.“
Für Alva ist die Anwendung von Gewalt offenkundig notwendiges Mittel des politischen Kampfes. Im zuvor genannten Lied singt sie: „Ne weiße Frau rockt das Mic, kein Opfer-Style, meine Antwort Gewalt. Immer vorn, wenn es knallt, nicht mal, weil ich‘s will.“
Gemeinsam mit Prototyp gab Alva das Album „Kompass“ heraus. Zum Lied „Wendezeit“ aus diesem Album produzierte NDS Records ein martialisch wirkendes Video, in welchem die rechtsextremistische Gruppierung „Pforzheim Revolte“ mitwirkte. Alva singt:
„Wir sind eisern wie Stahlträger. Fühlt euch mal geil [...] Ich bin die, die nie die Flinte ins Korn wirft. Egal, was für einen Mist man mir vorwirft. Wer hätte noch gedacht, man kann mit Wörtern etwas ändern, aber wir bleiben tief im Ohr wie Hörgeräte bei Rentnern. […] Wenn die Messerschatten wieder mal am […] kleben, ist es Hitchcock, wenn wir Euch den Blutadler geben.“
In den Songs „Wölfin“ und „Es ist aus“ beruft sie sich auf das Faustrecht:
„Eure Szene hat Angst vor der völkischen Braut. Was zur Hölle, ihr glaubt unser Label ist tot. Unser Sampler ist da und die Faser sie tobt. [...] Ich bin Deutsche, werde nicht vor‘m Sternbanner wimmern. Ja die Zeiten sind hart, doch sie werden noch schlimmer. Kann mich 2015 an Merkel erinnern. Wir gehen raus auf die Straße, Hand in Hand, denn da draußen steht längst unser Land in Brand. Für das Vaterland kämpfen wir aufrecht, Alva […], denn ab heut gilt das Faustrecht. […] Für alles was deutsch denkt oder handelt. Scheiß auf die Bonzen und scheiß auf die Ampel, germanisches Blut unser Gut ist die Eintracht, Alva, die Wölfin das Rudel erweitert.“
„Hier haben Frauen noch Frauennamen, wir sind NDS, wir bleiben autark. Hoch hinaus wie ein Baukran fürs ganze Volk kein Frauenkram. [...] Konsequent verlautbare ich: Alva wird euer Trauma. Ihr Orks wollt unser Auenland. OK – unser Schwert bleibt der Faustpfand. Denn es ist Alva, die die Talfahrt beendet. Erhobene Faust, keine gefalteten Hände.“
Textpassagen im Lied „Niemals“ verdeutlichen ebenfalls die verfassungsfeindliche Einstellung von Alva und Prototyp:
Alva: „Bin ein toxisches Genie, und ich plane meinen Staatsstreich. Ihr bleibt auf der Stelle, doch redet was von fastlife. Zahlreich sind die Feinde, die man in unser Land schickt, weißt du was ich meine, sie machen das mit Absicht. Taktik bleibt mal wieder „Teile und Herrsche“, praktisch, so kann man dich leichter beherrschen. Sie sagen ich mach Fehler – ich öffne mich nach rechts – doch ich weiche keinen Meter bei den Göttern ich zerbrech. Hier kommt die Wölfin ins Gefecht. Ich war zwischendurch mal netter, aber jetzt gibt es keine Gnade mehr für Missgeburtenrapper.“ Prototyp: „Ich durchbrech den Palisadenturm. Wir entfesseln voller Hass den Alemannensturm. Wewelsburg, Trinität, schau mal auf den Grundriss, immer noch Bestand, obwohl man unser Volk zu Grund riss. Buntes Pack, hier regiert die Scheiße – doch wir werden niemals weichen.“
Das Aktionsniveau der rechtsextremistischen Musikszene im Freistaat Sachsen entsprach in etwa dem Vorjahr. Durch behördliche Maßnahmen konnte das rechtsextremistische Konzertgeschehen jedoch deutlich geschwächt werden. Es fiel der Szene wegen des intensiven Zusammenwirkens u. a. des LfV Sachsen und der Polizei zunehmend schwer, geplante Konzerte tatsächlich durchzuführen. Dadurch musste die Szene im Berichtsjahr kurzfristig auch finanzielle Einnahmen einbüßen, die ihr in den Vorjahren sicher waren.
Mit Videoproduktionen, neuen Tonträgern und der Einbindung weiterer Interpreten zeigte sich das Label NDS Records im Berichtsjahr sehr aktiv. Hier konnte eine Tendenz zur Radikalisierung festgestellt werden – eine Entwicklung, die auch darauf zurückzuführen ist, dass sich inzwischen Musiker mit einer „klassisch“ rechtsextremistischen und gewaltorientierten Einstellung für dieses Unternehmen interessieren. Offenbar zeigt man sich aber auch bei NDS Records selbst bestrebt, nicht nur Fans in „Randbereichen“ der rechtsextremistischen Szene bzw. im ausschließlich „patriotischen Lager“ zu bedienen. Offenkundig will das Label auch „klassische Rechtsextremisten“ ansprechen, die sich bisher nicht für die NDS-Rapper interessiert haben. Diese Ausweitungsbestrebungen müssen für NDS Records nicht zwingend nur ideologische Gründe haben, sondern können vielmehr auch dem Zweck dienen, aus rein wirtschaftlichen Aspekten den Spielraum für finanzielle Einnahmen zu erweitern, indem man mit seinen Liedern weitaus mehr Fans erreicht als bisher. Neben aktiven Musikgruppen, die jährlich auftreten bzw. an neuen Tonträgern arbeiten, existieren im Freistaat Sachsen nach wie vor auch Bands, die nur gelegentlich ein „Lebenszeichen“ von sich geben.