Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug
Die auslandsbezogenen extremistischen Bestrebungen richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährden z. B. durch die Begehung von Straftaten und die fortwährende Bereitschaft zu aktionsorientiertem und gewaltbereitem Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland.
Dabei handelt es sich um kein einheitliches Spektrum. Politik, Strategie und Aktionen der nicht islamistischen extremistischen Organisationen in Deutschland werden ganz entscheidend von den Entwicklungen – insbesondere Veränderungen der allgemeinen politischen Lage, aber auch durch bedeutsame Einzelereignisse in den jeweiligen Herkunftsländern – bestimmt.
Linksextremistisch-separatistische Organisationen, wie die auch im Freistaat Sachsen aktive Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), streben die revolutionäre Beseitigung der jeweiligen Staatsordnung in ihren Herkunftsländern und die Errichtung eines sozialistischen bzw. kommunistischen Systems an.
In Sachsen konnten auslandsbezogene extremistische Bestrebungen vorrangig aus dem Bereich der kurdischen PKK, also dem linksextremistisch-separatistischen Bereich, festgestellt werden. Ihr Potenzial bewegt sich seit Jahren – so auch im Jahr 2023 – bei konstant ca. 160 Personen. Auch Mitglieder und Anhänger der Nachfolge- und Nebenorganisationen der PKK zählen darunter.
Jedoch kann das Mobilisierungspotenzial der PKK, das insbesondere abhängig von den politischen Entwicklungen in der Türkei ist, die oben aufgeführte tatsächliche Anhängerzahl der PKK deutlich überschreiten. Zum Kreis der Mobilisierten zählen beispielsweise regelmäßig auch Personen aus dem deutschen linksextremistischen Spektrum.
Sitz | Nord-Irak (Kandilgebirge) | ||||||||||||
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Gründung | 1978 | ||||||||||||
Vorsitz | Abdullah ÖCALAN | ||||||||||||
Teil-/ Nebenorganisationen |
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Publikationen | „Serxwebun“ (Unabhängigkeit) „Yeni Özgür Politika“ (Neue Freie Politik) |
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Personenpotenzial/ Mitgliederentwicklung Sachsen |
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Finanzierung | Spendensammlungen bei den Anhängern der PKK, Eintrittsgelder bei Großveranstaltungen |
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Kurzporträt/Ziele |
Die PKK strebte ursprünglich einen eigenen kurdischen Nationalstaat an, der die Gebiete Südostanatoliens (Türkei), den Nordirak, Teile des westlichen Irans und Gebiete im Norden Syriens umfassen sollte. |
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Relevante Ereignisse und Entwicklungen 2022 |
Die Aktivitäten der PKK in Sachsen wurden im Jahr 2023 maßgeblich vom Schicksal ihres in der Türkei inhaftierten Anführers Abdullah ÖCALAN und vom militärischen Vorgehen der Türkei in den kurdischen Siedlungsgebieten bestimmt. Außerdem wurde die Forderung nach einer Aufhebung des PKKBetätigungsverbots verstärkt in die Öffentlichkeit getragen. |
Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wurde im Jahr 1978 gegründet. Ursprüngliches Ziel war die Schaffung eines autonomen, sozialistisch orientierten Kurdenstaates. Zu den Gründern gehörte Abdullah ÖCALAN. Er übte von Beginn an die Funktion des Generalsekretärs aus. Seine bis heute unangefochtene Führungsposition setzte er gegen interne Widerstände durch und behielt diese auch nach seiner Inhaftierung und Verurteilung im Jahr 1999.
Zur Durchsetzung ihrer Ziele nahm die PKK im Jahr 1984 den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat auf. Sie entwickelte sich seitdem zur anhängerstärksten und militantesten Kurdenorganisation. Ihr militärischer Arm, die Volksverteidigungskräfte (Hêzên Parastina Gel–HPG), ist für tausende Todesopfer verantwortlich, auch unter Touristen und der Zivilbevölkerung. Seit dem Jahr 2002 sind die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen von der Europäischen Union als terroristische Organisationen gelistet.
Zwischen 2013 und 2015 schien sich bei der PKK eine neue Entwicklung abzuzeichnen. Die türkische Regierung führte Verhandlungen mit Abdullah ÖCALAN. Damit sollten Waffenniederlegung und Gewaltverzicht der PKK erreicht werden. Im Gegenzug erwartete die PKK-Führung die Erfüllung ihrer Forderungen nach Verankerung politischer und kultureller Rechte für die Kurden in einer neuen Verfassung der Türkei.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen begann Mitte 2015 eine neue Ära der terroristischen Anschläge durch militante Kräfte der PKK. Für einen Anschlag durch den Islamischen Staat (IS) im Juli 2015 auf eine Veranstaltung kurdischer Jugendlicher in Suruç im Südosten der Türkei schrieb die PKK der türkischen Regierung die mittelbare Schuld zu. Die daraufhin einsetzende Spirale der Gewalt ebbte 2017 wieder ab. Es wurden der PKK allerdings auch danach vereinzelte Anschläge auf türkische Polizisten und Militärangehörige sowie Zivilisten zugerechnet. Am 1. Oktober 2023 erfolgte ein Sprengstoffanschlag in der Nähe des türkischen Innenministeriums in Ankara.
Von der zunehmenden Verfolgung regimekritischer Personen in der Türkei sind nicht zuletzt auch Kurden betroffen. Jedwede Parteinahme für sie wird dort als Unterstützung einer Terrororganisation geahndet.
Folgende der in Sachsen ansässigen und der PKK zugehörigen Organisationen zeigten auch im Jahr 2023 mit der Durchführung von Kundgebungen, Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen Präsenz:
- DRESDNER VEREIN DEUTSCH KURDISCHER BEGEGNUNGEN E. V. und
- UTA FRAUENRAT DRESDEN E. V.
Die Geschichte der PKK ist eng mit der Person ihres Gründers Abdullah ÖCALAN verbunden. Bereits während des Studiums der Politikwissenschaften beeinflussten ihn linksextremistische Organisationen.
Auf dem PKK-Gründungskongress im Jahr 1978 verabschiedeten ÖCALAN und weitere Funktionäre ein von marxistisch-leninistischen sowie nationalen Grundsätzen geprägtes Manifest. Darin präsentierte sich die PKK als revolutionäre Partei des Proletariats und der Bauern auf Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus. Bereits in diesem ersten Manifest rief die PKK dazu auf, „Kurdistan vom imperialistischen und kolonialistischen System zu befreien und in einem einheitlichen Kurdistan eine demokratische Volksdiktatur zu gründen“. Damit war der sog. nationale Befreiungskampf für eine universale klassenlose Gesellschaft in einem unabhängigen, sozialistischen Kurdistan erklärtes Ziel der PKK. Hauptgegner ist der türkische Staat. Der militärische Arm der PKK begann im August 1984 im Südosten der Türkei einen Guerillakrieg, um die Vision eines unabhängigen Kurdenstaates gewaltsam umzusetzen. Über zwei Jahrzehnte führte die PKK terroristische Anschläge in der Türkei, auch gegen die Zivilbevölkerung und ausländische Touristen durch.
Bis heute stellt die Verhaftung ÖCALANS am 15. Februar 1999 durch den türkischen Geheimdienst in Kenia einen gravierenden Einschnitt in der Geschichte der PKK dar. Unter dem Druck eines drohenden Todesurteils nahm ÖCALAN mit einem zweiten Manifest Abstand von der Bildung eines eigenständigen Kurdenstaates mit Hilfe des bewaffneten Kampfes. Im August 1999 erklärte er den bewaffneten Kampf der PKK schließlich für beendet. Daraufhin zogen sich die meisten PKK-Guerillaeinheiten nach und nach aus der Türkei zurück. Sie halten sich seitdem überwiegend in von Kurden autonom verwalteten Gebieten im benachbarten Nordirak auf. Von dort dringen sie immer wieder in türkisches Staatsgebiet ein und provozieren dadurch bewaffnete Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee, obwohl die PKK im Jahr 2000 die Grundsätze ihres zweiten Manifests bestätigte. Die Beschlüsse sahen eine „Demokratisierung“ innerhalb der PKK und die Wandlung hin zu einer „legalen Organisation“ vor.
Die PKK verfolgt bei ihren Aktivitäten weiterhin eine Doppelstrategie. Während sie auf dem Gebiet der Türkei terroristische Anschläge durchführt und Anhänger für den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat mobilisiert, nutzt sie Europa vorrangig als Rückzugs-, Finanzierungs- und Rekrutierungsraum. Die PKK und ihr Unterstützerkreis in Deutschland stellen sich als in der Türkei zu Unrecht verfolgte Regimegegner dar und versuchen so, ihr Ansehen zu verbessern und ihren Einfluss zu erhöhen.
Strategie und Aktionen der PKK zielen auf eine radikale Veränderung der politischen Verhältnisse im Heimatland ab und werden demzufolge entscheidend von der Situation in den kurdischen Siedlungsgebieten und den dortigen zentralen Organisationseinheiten geprägt.
Im Jahr 2023 bestimmten folgende Faktoren maßgeblich die Aktivitäten der PKK in Deutschland und somit auch im Freistaat Sachsen:
- das Schicksal, insbesondere die Haftbedingungen ihres in der Türkei inhaftierten Anführers Abdullah ÖCALAN und
- das militärische Vorgehen des türkischen Staates in den kurdischen Siedlungsgebieten.
Bei den Aktivitäten wird regelmäßig die Forderung nach Aufhebung des im Jahr 1993 für die PKK in Deutschland erlassenen Betätigungsverbots verstärkt in die Öffentlichkeit getragen.
Schwerpunkte der Aktivitäten in Deutschland und Europa waren dabei Demonstrationen, Kundgebungen und Informationsstände. Der PKK gelang es regelmäßig, ihre Anhängerschaft auch im Freistaat Sachsen zu mobilisieren, die den zentralen Aufrufen des Kongresses der kurdischen demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa (KCDK-E), der Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e. V. (KON-MED) und der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) folgten. Unterstützt wurden die Aktivitäten durch deutsche Linksextremisten im Rahmen der „Kurdistansolidarität“ mittels Hilfe bei der Mobilisierung für Veranstaltungen, der Teilnahme daran und der Berichterstattung im Internet. Vor allem in den Großstädten Dresden und Leipzig kann eine strukturelle Vernetzung der PKK mit deutschen Linksextremisten festgestellt werden.
Europaweit wurde im Januar des Berichtsjahres dreier am 9. Januar 2013 in Paris ermordeter kurdischer PKK-Revolutionärinnen sowie dreier kurdischer Opfer eines Schusswaffenattentats am 23. Dezember 2022 in Paris gedacht. Am 14. Januar fand dazu im Dresdner Verein deutsch-kurdischer Begegnungen e. V. eine Veranstaltung zum Märtyrergedenken statt, die vom UTA Frauenrat e. V. organisiert wurde. Der Raum war mit Bildnissen weiterer PKK-Märtyrer, einem Bild von Abdullah ÖCALAN und der Fahne der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) geschmückt. Eine PKK-nahe Nachrichtenagentur berichtete über das Ereignis mit einem Artikel und einem Video.
Auch bundesweite Ereignisse sind für die PKK-Strukturen in Sachsen relevant. So fand das 31. Internationale Kurdische Kulturfestival am 9. September mit ca. 12.000 Teilnehmern unter dem Motto „100 Jahre nach dem Vertrag von Lausanne: Lösung der kurdischen Frage, Freiheit für Öcalan, Status für Kurdistan“ in Frankfurt/Main statt. Zu dieser Veranstaltung reisten auch Personen aus Sachsen an.
Öffentliche Wahrnehmung und Ideologieverbreitung wurden mit den Kurdistantagen vom 2. bis 13. August in Leipzig erzielt. In Filmvorführungen wurde eine feministische Sicht auf Kurdinnen im Zusammenhang mit ihrem Alltag als Guerillakämpferinnen abgebildet. Mittels verschiedener Veranstaltungsformate wurden zudem Netzwerkmöglichkeiten zwischen der linksextremistischen Szene und der PKK geschaffen. Abschließend fand am 13. August in Leipzig ein Aufzug mit Kundgebung unter dem Motto „Freiheit für Öcalan – Frieden in Kurdistan“ statt. An der Veranstaltung nahmen 80 Personen teil. Berichten einer PKK-nahen Nachrichtenagentur zufolge hätten sich angeblich sogar etwa 100 Personen beteiligt. In Redebeiträgen wurde auf die Haftsituation ÖCALANS aufmerksam gemacht. Es wurden Fahnen mit dessen Abbild sowie ein großes Transparent mit der Aufschrift „Die Zeit ist gekommen – Freiheit für Öcalan“ mitgeführt. Die zentrale Forderung nach Freilassung des PKK-Gründers eint im Übrigen gleichermaßen Linksextremisten und Personen, die dem Auslandsbezogenen Extremismus zugerechnet werden. So wurden bei der Demonstration neben Fahnen der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) auch Antifa-Fahnen festgestellt.
Diskussionen um die Aufhebung des PKK-Verbots wurden genutzt, um ein verzerrtes, verharmlosendes Bild einer „friedlichen PKK“ zu zeichnen. Dabei wird verkannt, dass der Gewaltverzicht in Europa eine Vorgabe der PKK-Führung ist, die im Übrigen zur Durchsetzung ihrer Ziele aber auf den bewaffneten Kampf setzt. Mit dem regelmäßigen öffentlichen Zeigen der Fahnen der YPG sowie der YPJ wird auch in Sachsen Unterstützung und Sympathie für die bewaffneten kurdischen Milizen und deren Guerillakampf zum Ausdruck gebracht.
Darüber hinaus waren im Berichtsjahr auch abseits vom Versammlungsgeschehen Sympathiebekundungen für die Ideologie und die Ziele der PKK vereinzelt feststellbar. So wurde im Oktober der Schriftzug „Free Rojava from Turkey“ an ein Objekt der TU Bergakademie Freiberg gesprüht. Auch andere propagandistische Mittel, wie das öffentlichkeitwirksame Anbringen von Plakaten mit der Forderung nach Aufhebung des PKK Verbots, wurden festgestellt.
Aufgrund des im Bundesvergleich geringen und seit Jahren stagnierenden Anhängerpotenzials ist eine signifikante Beeinträchtigung der Sicherheit des Freistaates Sachsen in absehbarer Zeit durch die hier ansässigen PKK-nahen Vereine nicht zu erwarten.
Da die PKK jedoch hierzulande häufig auf aktuelle Ereignisse in der Türkei und Nordsyrien reagiert, muss situationsbedingt auch künftig mit extremistischen Aktivitäten und damit einhergehend mit der Mobilisierung größerer Personenpotenziale gerechnet werden.
Dabei können wegen der Kooperation der PKK mit Linksextremisten weiterhin mitunter weit über dem PKK-Personenpotenzial von 160 Personen liegende Teilnehmerzahlen generiert werden. Somit wird die Unterstützung solcher Aktivitäten durch Linksextremisten, vor allem in Leipzig und Dresden, weiterhin eine bedeutende Rolle für die Szene spielen.