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ROTE WENDE LEIPZIG

Das Bekenntnis der Roten Wende Leipzig als „traditionell kommunistische“ Gruppierung ist als eine klare Ablehnung der grundgesetzlichen Ordnung zu verstehen. Dieses Selbstverständnis manifestiert die Gruppe regelmäßig in Beiträgen auf ihrer Internetseite sowie ihren Profilen in den sozialen Medien.

Aus ihrer Sicht braucht es eine grundlegende Umwälzung der Eigentums- und Produktionsverhältnisse, einhergehend mit der Abschaffung des bürgerlichen Staates. Der bürgerliche Staat und seine politische Ordnung, wie sie im Grundgesetz niedergelegt ist, werden als Instrument des Kapitalismus zur Unterdrückung der Arbeiterklasse verstanden. Stattdessen propagiert die Rote Wende Leipzig eine „befreite, klassenlose Gesellschaft“.

Das Ziel ist die Errichtung des Kommunismus unter der Herrschaft einer führenden Partei, was mit den Grundsätzen der Volkssouveränität nicht vereinbar ist. Revolutionärer Klassenkampf und Diktatur des Proletariats, die zur angestrebten kommunistischen Idealgesellschaft führen, schließen demnach eine Beteiligung des ganzen Volkes an allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen aus. Eine Einparteienherrschaft ist zudem mit den Prinzipien der Parteienvielfalt und der Ausübung von Opposition nicht zu vereinbaren. In einer Diktatur des Proletariats wären weder die Meinungsfreiheit noch die Chancengleichheit anderer politischer Parteien gewahrt.

Der kommunistischen Ideologie sind rechtsstaatliche Erwägungen fremd. Diese sind nach Lesart der Gruppierung stattdessen Ausdruck der bürgerlichen Gesellschaft mitsamt ihrer als „Klassenjustiz“ delegitimierten Justiz- und Sicherheitsbehörden. Recht und Gesetz haben keinen Selbstzweck, sondern eine der Ideologie dienende Funktion. Dieser Aspekt der kommunistischen Ideologie lehnt die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung ebenso wie die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht vollständig ab.

Das Eintreten der Roten Wende Leipzig für einen gewalttätigen Antifaschismus und gegen Exekutivmaßnahmen der Polizei – wie zum Beispiel mittels Solidaritätsaktivitäten für die Betroffenen von Wohnungsdurchsuchungen in Leipzig oder für inhaftierte Linksextremisten wie Lina E. – ist zudem dazu geeignet, das Gewaltmonopol des Staates und das Recht auf körperliche Unversehrtheit einer jeden Person in Frage zu stellen. So äußerte sich die Gruppierung am 3. August 2022 in einem Beitrag auf ihrem Instagram-Account wie folgt:

„Denn die Aufgabe der Justiz und der Polizei ist einzig auf die Erhaltung des Status Quo ausgerichtet. Jede aufrührerische Handlung gegen die rechtsoffenen Bullen oder den alltäglichen Wahnsinn wird verpuffen, wenn nicht an den Grundpfeilern der Gesellschaft gerüttelt wird.“

Die Gruppe ist in den sozialen Medien präsent, baut regional und überregional Kontakte zu anderen linksextremistischen Gruppen und Bündnissen auf und zeigt sich regelmäßig bei öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen, Kundgebungen, Gedenk- und Solidaritätsveranstaltungen. Die Rote Wende Leipzig besetzt inhaltlich grundsätzlich anschlussfähige Themen wie Antikapitalismus, Antimilitarismus, Antirepression oder Klimaschutz. Ziel ist es, mit ihren Positionen Sympathisanten zu politisieren, zu organisieren und zu mobilisieren. Dabei wendet sie sich auch gezielt an Jugendliche und Heranwachsende.

Im Berichtsjahr waren bei Demonstrationen etwa 50 Personen der Roten Wende Leipzig zuzurechnen. Nach Eigenangaben bewegt sich ihre Mitgliederzahl angeblich jedoch im hohen zweistelligen Bereich. Auf ihren Social Media-Kanälen (Instagram) bezeichnen sich auch die Gruppen Jugend im Kampf und Revolutionäre Frauen Leipzig als zur Roten Wende Leipzig zugehörig.

Die Rote Wende Leipzig ist eine aktionsorientierte Gruppierung, die im Berichtszeitraum durch die öffentlichkeitswirksame Durchführung eigener Demonstrationen sowie die aktive Beteiligung an Veranstaltungen anderer Gruppierungen in Erscheinung trat. Ihre Aktivitäten konzentrierten sich dabei schwerpunktmäßig auf Leipzig. Aufgrund ihrer Nähe zu anderen Gruppierungen im linksextremistischen Bündnis Perspektive Kommunismus gibt es aber auch Kennverhältnisse mit gewaltbereiten Gruppen im gesamten Bundesgebiet.

Die Gruppierung ist im Gegensatz zu anderen autoritär kommunistischen Strukturen innerhalb der Leipziger linksextremistischen Szene nicht isoliert, sondern konnte sich wiederholt mit ihren Transparenten in spektrenübergreifende Demonstrationen von Linksextremisten in Leipzig einreihen. So organisierte die Rote Wende Leipzig nach einer polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme am 27. Januar eine Antirepressionsdemonstration unter dem Motto „Solidarität ist eine Waffe! Zusammen gegen Staatsterrorismus“, an der sich auch Autonome beteiligten.

Die Rote Wende Leipzig äußerte im Berichtszeitraum im Rahmen von Versammlungen mehrfach öffentlich ihre Positionen. So griff sie beispielsweise am 5. September in Leipzig während der Versammlung „Wir zahlen nicht für eure Krise! Kein Fußbreit den Faschisten“ aktuelle politische Themen wie Energiekrise, Inflation und Ukraine-Krieg auf. Die Ursache all dieser Probleme sei demnach der Kapitalismus und die Lösung in der logischen Folge der Kommunismus. Durch einen Klassenkampf sei diese Lösung zu erreichen. Verbunden wird dieses zentrale Thema der Roten Wende Leipzig mit den klassischen Aktionsfeldern von Linksextremisten, wie beispielsweise Antifaschismus, Antirepression und Antimilitarismus.

Bei den Demonstrationen agiert die Rote Wende Leipzig oftmals als geschlossener Block mit eigenem Fronttransparent, die Mitglieder führen rote Stockfahnen und rote Schlauchschals zur Vermummung mit – teils mit „Hammer und Sichel“-Symbol. Die Personen treten dabei mitunter aggressiv gegen angebliche politische Gegner aber auch vermeintlich „störende“ Unbeteiligte auf. Auch in ihren Äußerungen zeigt sich, dass die Gruppierung den Einsatz von Gewalt zur Erreichung ihrer politischen Ziele nicht ablehnt. „Militanter Antifaschismus“ oder eine „kämpferische Praxis“ gegen „Faschisten“ seien demnach legitim, und „Bullenpräsenz in ihrem Viertel“ werde man nicht „unbeantwortet“ lassen. Darüber hinaus müsse der „antifaschistische Selbstschutz im Kampf gegen Faschisten in der sächsischen Polizei und Justiz“ organisiert werden.

Die Aktions- und Gewaltorientierung – verbal geäußert oder ausgeübt durch einzelne Mitglieder bei Versammlungen – unterscheidet die Gruppe von orthodox-kommunistischen Parteien.

Die Rote Wende Leipzig hat im Berichtszeitraum zahlreiche Aktivitäten entwickelt, sich nach eigener Aussage strukturell und personell stabilisiert und Mitglieder gewonnen. Die Gruppe hat sich offensichtlich in Leipzig etabliert und kann als akzeptierter Teil der linksextremistischen Szene betrachtet werden. Die Gruppierung beteiligte sich an zahlreichen – auch überregionalen – Demonstrationen und organisierte teils auch eigene Versammlungen. Das Aktionsniveau kann insgesamt als ansteigend beschrieben werden.

Die Rote Wende Leipzig bietet als kommunistische Organisation vor dem Hintergrund der Zuspitzung verschiedener Krisen (u. a. Energiepreise, Inflation, Ukraine-Krieg, Klimawandel) eine eindeutige (radikale) Position an und kann diese konsequent vertreten.

Hinzu kommt eine propagierte und schon teilweise ausgeübte Straßen-Militanz, welche insbesondere bei jüngerem und aktionsorientiertem Milieu Anklang findet. Kompromissloses Auftreten und klare Botschaften sorgen offenbar für Anziehungskraft und eine insgesamt dynamische Entwicklung kommunistischer Gruppierungen jenseits der verkrusteten Strukturen orthodox-kommunistischer Parteien.

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