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Politischer Salafismus

Die Sicherheitsbehörden unterscheiden grundsätzlich zwischen politischem und jihadistischem Salafismus. Während beide Strömungen auf der gleichen ideologischen Grundlage beruhen, unterscheiden sie sich bei der Wahl der Mittel, mit denen sie ihre Ziele verwirklichen wollen.

Dennoch besitzen beide Ausprägungen eine immanente Gewaltorientierung. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus fließend ist und sich beide Richtungen mitunter nicht klar voneinander abgrenzen lassen.

Vertreter des politischen Salafismus betonen den friedlichen Charakter des Islam und positionieren sich teilweise ausdrücklich gegen Terrorismus. Dennoch wird die Anwendung von Gewalt – ausgehend von einer subjektiv konstruierten Bedrohungslage – auch von Vertretern des politischen Salafismus in bestimmten Fällen für zulässig erklärt.

Von jihadistischem Salafismus als einem Teilbereich des islamistischen Terrorismus sprechen die Sicherheitsbehörden dagegen, wenn die Anwendung terroristischer Gewalt von vornherein ideologisch legitimiert wird und der bewaffnete Kampf gegen „Ungläubige“ als zentrales Mittel gesehen wird, um das eigene Islamverständnis zu „verteidigen“ und zu verbreiten bzw. um politische Macht zu erlangen.

Wie in den Vorjahren bewegt sich das salafistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen, welches sowohl politische wie jihadistische Salafisten umfasst, auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Es ist im Vergleich zu den Vorjahren leicht gesunken und liegt aktuell bei ca. 250 Personen (2022: ca. 270 Personen).

Salafisten orientieren sich am Leben der ersten drei Generationen von Muslimen, welche auch als „Altvordere“ (arab. as-salaf as-salih) bezeichnet werden und im 7./8. Jahrhundert lebten. Nach Ansicht der Salafisten führten nur diese Generationen ein gottgefälliges Leben, da sie es ausschließlich am Koran und dem Leben des Propheten Mohammed (Sunna) ausrichteten.
Salafisten orientieren sich nicht nur inhaltlich an den Vorstellungen der ersten Muslime und der islamischen Frühzeit, sondern auch an der damaligen Werteordnung. Sie streben eine Rechtsordnung an, die ausschließlich auf Koran und Sunna basiert. Die Einführung einer solchen Ordnung wird auch für westliche Länder, in denen Muslime leben, angestrebt. Insofern liegt auch eine politische Bestimmtheit vor, die über eine reine Glaubensausübung hinausgeht.
Aus der buchstabengetreuen Auslegung von Koran und Sunna leitet sich das zentrale salafistische Glaubensverständnis ab. Hierzu gehört die Überzeugung, dass Gott der einzige legitime Souverän und Gesetzgeber sei.
Kennzeichnende Merkmale für die salafistische Ideologie sind insbesondere die Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaat, der absolute Geltungsanspruch der Scharia als allumfassende Lebensordnung, die Ablehnung der Gleichberechtigung von Mann und Frau und Abgrenzungsmechanismen gegenüber anderen Religionen bzw. vermeintlich Ungläubigen. Salafisten lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gänze ab und sehen sich als die einzigen „wahren“ Muslime.

Nach salafistischer Auslegung wird der Islam als allumfassender politischer Gegenentwurf zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung begriffen und öffentlich propagiert. So ist die Grundlage der staatlichen Herrschaftsordnung nach salafistischer Auffassung nicht die Selbstbestimmung des Volkes, sondern der Wille Gottes. Demokratische Prozesse werden als Verletzung der Souveränität Gottes und deshalb als illegitim angesehen. In Anlehnung an die islamische Frühzeit wird die Schaffung einer vermeintlich idealen islamischen Gesellschaft, in welcher Staat und Religion eine Einheit bilden (d. h. eine Theokratie), angestrebt. Sämtliche religiöse Neuerungen oder gar eine Fortentwicklung der Religion im Sinne einer Anpassung an bestehende Verhältnisse werden dagegen strikt abgelehnt. Dementsprechend greifen Salafisten auf Regeln und Rechtsnormen zurück, die mit einem modernen demokratischen Rechtsstaat unvereinbar sind.

Als Basis ihrer religiös begründeten rechtlichen, sozialen und politischen Ordnungs- und Herrschaftsvorstellungen ziehen Salafisten die Scharia als Ausdruck des göttlichen Willens heran. Nach ihrem Verständnis bezeichnet der Begriff „Scharia“ zusammengefasst sämtliche vom Koran und der Prophetenüberlieferung (Sunna) abgeleiteten religiösen und weltlichen Rechtsvorschriften. Jeder Muslim hat nach salafistischem Verständnis die Normen der Scharia als gottgewollt zu befolgen. Andere politische und rechtliche Modelle werden entweder als zweitrangig verstanden oder grundsätzlich abgelehnt.

Salafisten weisen der Frau ein Rollenbild zu, das sie auf ihre häuslichen Aufgaben beschränkt und ihre öffentliche Betätigung (wie z. B. ein politisches Engagement) ausschließt. Der Ehemann besitzt nach salafistischer Auslegung des Korans ein Züchtigungsrecht zur Erziehung und Disziplinierung seiner Ehefrau. Die von Salafisten so verstandene gottgegebene Überordnung des Mannes im Verhältnis zur Frau verstößt gegen den in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes garantierten Grundsatz der Gleichberechtigung.

Die salafistische Ideologie ist insbesondere durch zahlreiche Abgrenzungsmechanismen geprägt. Die Verbreitung von Bildern muslimischer wie nicht muslimischer Feinde soll zur Stärkung einer eindeutigen salafistischen Identität beitragen. Andersdenkende werden auch dann, wenn sie einer Religionsgemeinschaft angehören, mit diffamierenden Begriffen wie „Kuffar“ („Ungläubige“) bezeichnet. Dementsprechend sollen Salafisten ausschließlich mit ihresgleichen verkehren und sämtliche Beziehungen zu „Ungläubigen“ einschließlich nicht-salafistischen Muslimen unterlassen.

Salafisten verstehen sich als Opfer in der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft. Dazu werden Szenarien von Bedrohungen und Angriffen gegen den Islam und die Muslime gezeichnet, die weltpolitische Ereignisse, wie die Konflikte in Syrien, im Irak oder in Afghanistan, aber auch eine vermeintliche Diskriminierung in westlichen Ländern verarbeiten. Derartige Szenarien sind elementar für die Rekrutierung von Anhängern und haben Einfluss auf das Mobilisierungspotenzial.

Die Menschen sollen auf verschiedene Weise vom so verstandenen „richtigen“ Islam überzeugt werden bzw. zum Islam konvertieren. Das entsprechend verbreitete Gedankengut ist geeignet, den ideologischen Nährboden für eine islamistische Radikalisierung zu bilden und steht damit einer Integration entgegen.

Politische Salafisten verbreiten ihre islamistische, fundamentalistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten, die sog. „Missionierung“ (Dawa). Große Teile dieser propagandistischen Arbeit finden in den sozialen Netzwerken statt.

Jedoch hat der politische Salafismus inzwischen an Dynamik verloren. Die Rekrutierung neuer Anhänger verläuft deutlich zurückhaltender als noch in den zurückliegenden Jahren. Öffentliche „Straßenmissionierungen“ („Street Dawa“) finden im Bundesgebiet nur noch selten statt. In diesem Zusammenhang war die Koranverteilaktion „Lies!“ besonders bedeutsam. Der Bundesinnenminister verfügte im November 2016 das Verbot der Vereinigung „Die wahre Religion“, welche diese Koran-Kampagne initiiert hatte. Er begründete diesen Schritt damit, dass sie den bewaffneten Jihad befürworte bzw. propagiere und somit ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungs- und Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für Personen darstelle, welche aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach Syrien bzw. in den Irak ausreisen wollten. Diese Begründung verdeutlicht einmal mehr die enge Verzahnung zwischen politischem und jihadistischem Salafismus.

Nach diesem einschlägigen Verbot verlor die „Street-Dawa“ immer mehr an Bedeutung. Die „Dawa“ Aktivitäten verlagerten sich zunehmend in den privaten Bereich. Indoktrinierung und Radikalisierung finden daher inzwischen weniger in Moscheen, sondern vielmehr in kleinen konspirativen Zirkeln sowie im Internet statt.

Die salafistische Ideologie wird im Rahmen von Vortragsveranstaltungen und „Islamseminaren“ in salafistischen Moscheen verbreitet. Mit deren Übertragung ins Internet wird ein unüberschaubarer Personenkreis erreicht.

Die Propagandaaktivitäten von politischen Salafisten treffen nach wie vor auf eine entsprechende Anhängerschaft, was sich in der Entwicklung des Personenpotenzials widerspiegelt. Während politische Salafisten ihre Propagandaarbeit strategisch als „Missionierung“ oder „Einladung zum Islam“ bezeichnen, handelt es sich tatsächlich um eine systematische Indoktrinierung, nicht selten mit dem Ziel einer Radikalisierung.

Besonders hervorzuheben ist der radikalisierende Einfluss salafistischer Propaganda auf Jugendliche, die sich in einer Identitätsfindungsphase befinden und daher als besonders anfällig für salafistische Missionierungs- und Indoktrinierungsversuche der oftmals charismatischen und redegewandten salafistischen Prediger gelten.

Der jihadistische Salafismus baut in vielen Fällen auf die bereits geleistete strategische und ideologische Vorarbeit des politischen Salafismus auf. Zusätzlich wird hier jedoch die einschlägige jihadistische Ideologie über persönliche Kontakte in der Realwelt oder in Sozialen Medien und Kommunikationsplattformen verbreitet. Das Propagandamaterial wird hierbei z. B. aus den offiziellen bzw. halboffiziellen Medienportalen des Islamischen Staates, wie das AL-HAJAT MEDIA CENTER, dem AL-FURQAN INSTITUTE FOR MEDIA PRODUCTION und ähnliche bezogen und dann von IS-nahen Kanälen und Gruppierungen z. B. über Messenger-Dienste aufgegriffen, kommentiert und verbreitet.

Ziel des jihadistischen Salafismus ist es, Personen mit ihrer Ideologie zu beeinflussen und zur Unterstützung des weltweiten Jihads zu gewinnen.

Strukturen im Freistaat Sachsen

Die salafistische Szene in Deutschland ist meist nur lose organisiert. Feste und formale Organisationsstrukturen sind weitgehend nicht vorhanden. Eine Ausnahme bilden örtliche salafistische Vereine, die als Träger salafistisch geprägter Moscheen tätig sind.

Informationen zu Islamische Gemeinde in Sachsen – Al-Rahman-Moschee e. V. © LfV Sachsen

Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit

Den Schwerpunkt salafistischer Strukturen im Freistaat Sachsen bildet seit Jahren der Verein Islamische Gemeinde in Sachsen – Al-Rahman-Moschee in Leipzig. Der Imam dieser Moschee, Hassan DABBAGH, ist ein überregional bekannter Multiplikator des politischen Salafismus in Deutschland. Trotz DABBAGHs Distanzierung von religiös motivierten Terrorakten sind seine Äußerungen geeignet, die Bildung von Parallelgesellschaften außerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu fördern und mittelbar Hass und Gewalt zu schüren.

Seine Freitagspredigten beinhalteten auch im Berichtsjahr die üblichen wiederkehrenden Themen, wie z. B. Hetze gegen den deutschen Staat und Ungläubige, welche Muslime angeblich unterdrücken und den Islam vernichten wollen sowie die staatliche Beeinflussung der Medien. Außerdem glorifizierte er den Islam der Frühzeit:
„…Und solange die Muslime nach dem Buch Allahs und nach der Sunna des Propheten Mohammed… gehandelt haben, waren sie spitze in allen Themen. …“ Gemäß der salafistischen Ideologie kann nur bei einer Rückbesinnung zum salafistischen Islam (Urislam) die einst empfundene Vormachtstellung der Muslime wieder erreicht werden.

Ein weiteres gern bedientes Thema ist die Opferrolle der Muslime, die unter der Bedrohung durch „Nichtmuslime“ leiden und sogar getötet würden. Folgender Auszug aus einer Predigt im Kontext des 7. Oktobers macht diese Opferhaltung deutlich:
„…Die haben das bombardiert. Und immer hat man gesagt das sind die Muslime. Da kann man mit ihnen alles machen. Die sind Terroristen. Egal Kinder, Frauen töten – kein Problem. Hauptsächlich, die sind die Guten und die Muslime sind schlecht. Denn Allah, das geht um la-ilaha-ill-allah. Das geht darum, dass wir Muslime sind. Und das haben sie überall gemacht… Und wir sehen das alle… Aber wo sind die Muslime? Warum sind wir so, dass wir nicht verstehen, wenn wir nicht zurückkehren zu unserem Buch, zum Buch Allahs, zur Sunna des Propheten…, wenn wir Allah nicht fürchten, dann werden sie mit uns alles machen, bis wir die Religion verlassen. …“ Weiterhin bediente sich DABBAGH unabhängig vom Terrorangriff der Hamas auf Israel antisemitischer Narrative.
So nannte er in seiner Freitagspredigt am 5. Mai einige Gründe für die Schwächen der islamischen Nation. In diesem Zusammenhang erwähnte er u. a. die „Feinde der Nation“, den äußeren und den inneren Feind.
„…Ein Feind in der Umma rein und das sind die Heuchler. Die Heuchler und ihre Anhänger. Und die Feinde von außen, die sind die Feinde, die keine Muslime, die sich nicht als Muslime begeben, sondern die wollen den Islam vernichten. Allah…sagt […] Die Juden, die Christen werden mit dir niemals zufrieden sein, bis du ihre Religion annimmst. Und Allah…sagt: Sie werden alles versuchen, dass ihr eure Religion verlasst. Und Allah…hat gesagt, sie werden stets gegen euch kämpfen, bis ihr wie sie kuffar (Ungläubige) werdet, weil sie Neid auf euch haben. …“
Der innere Feind sind seiner Meinung nach „Heuchler“ – arabische Säkulare und meist arabische Herrscher.
„…Aber innen gibt es Heuchler und ihre Anhänger und ihre Unterstützer. Und diese Leute, was machen sie? Die…greifen die Muslime an. Die greifen Qur’an und Sunna an. Die greifen die Gelehrten des Islam an. Die greifen alles, was bei Muslimen sind. Und die sagen, diese Säkularen…habt ihr irgendein, …irgendein von ihnen gehört, gesehen? Hat er etwas geschrieben, dass er etwas bei den Christen oder im Christentum kritisiert? Nein. Kritisiert er etwas bei Juden? Auf keinen Fall. Aber gegen den Islam, gegen Hijab, gegen Qur’an, gegen…, gegen Sunna, gegen … Muslim, gegen die Sahaba …“

Auch auf den Nahost-Konflikt reagierte DABBAGH in seinen Freitagspredigten. So zitierte er am 13. Oktober beispielsweise erneut den Koranvers „Juden und Christen werden mit dir niemals zufrieden seien, bis du ihre Religion annimmst und bis du ihnen folgst.“ Er machte deutlich, dass dies nicht seine persönliche Meinung sei, sondern dies durch Allah offenbart worden sei. DABBAGHS religiös begründeter Antisemitismus und seine anti-israelische Haltung belegte folgendes Zitat:
„Und das Problem von Palästina ist nicht für Palästinenser, sondern für alle Muslime. Für alle Muslime…Weil Palästina allen Muslimen gehört.“
Damit negierte er das Existenzrecht Israels als jüdischer Staat.

Aktivitäten

Propagandaaktivitäten sind in Sachsen, ebenso wie im übrigen Bundesgebiet, das Hauptaktionsfeld der politischen Salafisten.
In seiner Funktion als Imam und Prediger verbreitete DABBAGH im Berichtsjahr abermals die salafistische Ideologie u. a. in seinen Freitagspredigten und während des täglich stattfindenden Koranunterrichts in den Räumlichkeiten der Moschee. Als Redner nutzte DABBAGH ebenfalls bundesweite Vortragsveranstaltungen und Seminare in salafistischen Moscheen, u. a. in Erfurt, Braunschweig und Bremen, für die Vermittlung seiner verfassungsfeindlichen Agenda. Durch die Veröffentlichung seiner Freitagspredigten und Koranunterrichtsstunden sowie seiner Reden bei Vortragsveranstaltungen und Seminaren in den sozialen Medien und auf verschiedenen Internetportalen erhöhte er die Reichweite für seine verfassungsfeindlichen Aussagen und entfaltete eine stärkere Öffentlichkeitswirkung.

Mit Bescheid vom 30. Juni erhielt die Islamische Gemeinde in Sachsen – Al-Rahman-Moschee e. V., vertreten durch den Imam Hassan DABBAGH, die Genehmigung für das umfangreiche Bauprojekt „Ersatzneubau Kulturhaus an der Parthe“. Dieses umfasst ein Kulturhaus als Versammlungsstätte zur Religionsausübung, ein Vereinshaus, eine Verkaufseinrichtung und ein Bürogebäude mit großer Inhaberwohnung. Beim geplanten „Kulturhaus“ handelt es sich um das neue Moscheegebäude der Al-Rahman-Moschee. Informationen des LfV Sachsen zufolge soll der Neubau die derzeit genutzte Moschee ablösen. Das „Kulturhaus“/Moschee hat eine geplante Grundfläche von 1.050 m² mit drei Etagen und ist für ungefähr 2.000 Gläubige konzipiert. Das neue Gebäude wird demnach größer als die bisher genutzte Moschee. Baubeginn war Mitte Juli.

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